Earn-Out als Arbeitslohn beim Unternehmensverkauf – Das FG Köln und die Folgen für die M&A-Praxis
Earn-Out-Klauseln sind in Unternehmenskaufverträgen ein bewährtes Instrument, um den Kaufpreis teilweise von der künftigen Unternehmensentwicklung oder der weiteren Mitarbeit des Verkäufers abhängig zu machen. Die rechtssichere Gestaltung und steuerliche Qualifizierung solcher Komponenten stellt jedoch in der M&A-Praxis immer wieder eine Herausforderung dar. Besonders relevant: Die Unterscheidung, ob ein Earn-Out als (begünstigter) Veräußerungsgewinn oder als voll steuer- und sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn zu behandeln ist. Diese Weichenstellung hat erhebliche finanzielle Konsequenzen für alle Beteiligten.
Das Finanzgericht (FG) Köln hat dazu mit einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 4.12.2024 – 12 K 1271/23) deutliche Leitplanken gezogen – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis von Anteilskaufverträgen und den steuerlichen Umgang mit Earn-Outs. Die Frage ist zudem weiterhin nicht endgültig geklärt: Die Revision ist vor dem Bundesfinanzhof (Az. IX R 1/25) anhängig.
Der konkrete Fall: Earn-Out für Geschäftsführertätigkeit als Arbeitslohn
Im Streitfall hatte ein Gesellschafter-Geschäftsführer seine GmbH-Anteile veräußert und sich verpflichtet, für weitere fünf Jahre als Geschäftsführer tätig zu bleiben. Ein Teil des vereinbarten Kaufpreises war als Earn-Out ausgestaltet und ausdrücklich an die fortdauernde Ausübung der Geschäftsführertätigkeit geknüpft. Vorgesehen war außerdem eine anteilige Rückzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden.
Während der Verkäufer das Earn-Out als Teil des steuerlich privilegierten Veräußerungsgewinns in seiner Steuererklärung deklarierte, qualifizierten das Finanzamt – und ihm folgend das FG Köln – diesen Teil als Arbeitslohn an.
Ausschlaggebend war für das Gericht, dass der Earn-Out in engem Zusammenhang mit der künftigen Arbeitsleistung stand und ohne das fortbestehende Dienstverhältnis nicht realisierbar gewesen wäre.
Steuerliche Einordnung von Earn-Out-Zahlungen
1. Grundsatz: Earn-Out als Veräußerungsgewinn
In der typischen Konstellation gilt: Earn-Out-Zahlungen, die als nachträgliche Kaufpreisbestandteile im Zuge einer Veräußerung von GmbH-Anteilen gezahlt werden, sind grundsätzlich Teil des Veräußerungserlöses. Voraussetzung ist aber, dass die Zahlungen tatsächlich im Zusammenhang mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile stehen und der Verkäufer zum Zeitpunkt der Veräußerung mindestens mit 1% an der GmbH beteiligt war. Veräußerungsgewinne unterliegen regelmäßig dem Teileinkünfteverfahren, d. h. sie sind zu 60% steuerpflichtig.
2. Ausnahme: Earn-Out als Arbeitslohn
Wesentlich schwieriger wird die Abgrenzung, wenn die Earn-Out-Komponente (auch) von einer fortgeführten Tätigkeit abhängt – etwa, weil der Verkäufer weiterhin als Geschäftsführer tätig ist, und ein Teil des Kaufpreises nur dann zufließt, wenn er bestimmte Leistungsziele erreicht oder im Unternehmen bleibt. In diesen Fällen kann der Earn-Out nach Auffassung der Finanzverwaltung und einiger Finanzgerichte als „Entgelt für Arbeitsleistung“ beurteilt werden, mit der Folge voller Einkommensteuer- und oft auch Sozialversicherungspflicht.
Das FG Köln hat diese strenge Linie bekräftigt: Maßgeblich sei, ob der Earn-Out ohne die zukünftige Tätigkeit nicht gewährt würde. Die Vereinbarung einer Rückzahlung bei vorzeitiger Beendigung bestätigt aus Sicht des Gerichts, dass es sich dabei um eine Gegenleistung für künftige Arbeitsleistung und nicht für den Anteilsverkauf handelt.
3. Handlungsempfehlung: Präzise vertragliche Abgrenzung
Die klare Abgrenzung zwischen Kaufpreisbestandteilen und Vergütung für Arbeitsleistung ist essenziell. Je stärker der Earn-Out an die aktive Mitarbeit des Verkäufers nach dem Closing gekoppelt ist, desto größer ist das Risiko der Einordnung als Arbeitslohn. Davon zu unterscheiden sind Earn-Out-Zahlungen, die allein von der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens abhängig sind, unabhängig von einer Tätigkeit des Verkäufers.
Zur Streitvermeidung sollte der Unternehmenskaufvertrag detailliert festlegen, wann und wofür ein Earn-Out gezahlt wird, etwa: Welche Ziele müssen erreicht werden? Ist die Zahlung an eine fortdauernde Organstellung/Dienst- oder Arbeitsverhältnis gebunden? Gibt es Rückzahlungsmodalitäten bei vorzeitigem Ausscheiden des Verkäufers?
Es empfiehlt sich daher dringend, vor Abschluss von Unternehmenskaufverträgen über Earn-Out-Regelungen steuerliche und rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Gestaltungshinweise für die Praxis
Für M&A-Transaktionen und Unternehmenskaufverträge bieten sich folgende Handlungsempfehlungen an:
- Präzise Trennung von Kaufpreis und Arbeitsvergütung: Vertragsklauseln sollten klar zwischen dem Kaufpreis für die Anteile (Earn-Out als reiner nachträglicher Kaufpreisbestandteil) und etwaigen Boni/Vergütungen für zukünftige Dienste differenzieren
- Kritische Prüfung von Rückzahlungsklauseln: Jede Regelung, die eine Rückzahlung bei vorzeitiger Beendigung der Tätigkeit vorsieht, spricht steuerlich stark für Arbeitslohncharakter.
- Offenhalten von Streitfällen: Angesichts der noch nicht abgeschlossenen BFH-Rechtsprechung empfiehlt das Offenhalten von festsetzungsrelevanten Streitpunkten bis zur Klärung durch den Bundesfinanzhof.
Fazit
Das Urteil des FG Köln ist ein wichtiges Signal für die Vertrags- und Steuerpraxis bei Unternehmenskäufen. Earn-Out-Regelungen unterliegen im Zweifel strikter steuerlicher Kontrolle. Die Grenzen zum steuerlich privilegierten Veräußerungsgewinn sind eng – gerade dann, wenn die Zahlung mit einer fortdauernden Tätigkeit verknüpft ist.
M&A-Transaktionen mit Earn-Out-Modellen erfordern daher eine besonders sorgfältige rechtliche und steuerliche Strukturierung. Die Entwicklungen beim Bundesfinanzhof sollten von Beratern und Mandanten laufend beobachtet werden, um Risiken zu minimieren und Gestaltungsspielräume zu nutzen.
Für individuelle Beratung zu Earn-Out-Klauseln, Unternehmensverkäufen und steuerlichen Auswirkungen steht Ihnen unser Unternehmensrechts-Team (RA Urs Lepperdinger, RA Jochen Lang, RA Julius Weißenberg, RA/StB Dr. Theodor Seitz, StB Maximilian Strehle, StBin Andrea Feuchtgruber und RA Dr. Christoph Knapp) gerne zur Verfügung.
Autor: RA Dr. Christoph Knapp