Schneller bauen, flexibler planen: Der Bau-Turbo ist in Kraft
Seit dem 30. Oktober 2025 gilt in Deutschland eine der umfassendsten bauplanungsrechtlichen Reformen der vergangenen Jahre. Mit dem sogenannten Bau-Turbo verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Wohnungsbau deutlich zu beschleunigen und Planungshindernisse abzubauen. Das Gesetzespaket verändert zentrale Regelungen des Baugesetzbuchs (BauGB) und eröffnet sowohl Kommunen als auch Bauherren neue Handlungsspielräume.
§ 246e BauGB: Beschleunigtes Verfahren mit kommunalem Steuerungsanspruch
Kernstück der Reform ist die neu eingeführte Experimentierklausel des § 246e BauGB. Sie eröffnet Gemeinden die Möglichkeit, für bestimmte Wohnbauvorhaben von den üblichen planungsrechtlichen Vorgaben abzuweichen und diese in einem beschleunigten Verfahren zuzulassen – ohne dass zuvor ein Bebauungsplan aufgestellt oder geändert werden muss. Voraussetzung hierfür ist stets die ausdrückliche Zustimmung der Gemeinde, sodass die kommunale Planungshoheit uneingeschränkt gewahrt bleibt.
Während sich im Innenbereich und in beplanten Gebieten erhebliche Beschleunigungspotenziale ergeben, bleibt der Anwendungsbereich im Außenbereich bewusst eng gefasst: Eine Zulassung kommt dort nur in Betracht, wenn das Vorhaben in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bestehenden Siedlungsstrukturen steht.
Erleichterte Nachverdichtung: Änderungen in §§ 31 und 34 BauGB
Auch über die Experimentierklausel hinaus erweitert der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Nachverdichtung erheblich.
Durch die Änderung von § 31 Abs. 3 BauGB erhalten Gemeinden nun die Möglichkeit, zusätzliche Wohnnutzungen innerhalb des Geltungsbereichs bestehender Bebauungspläne zuzulassen, indem sie gezielt von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreien. Aufstockungen, Anbauten oder Vorhaben in zweiter Reihe können auf diese Weise deutlich einfacher umgesetzt werden. Dabei wird von dem bisher geltenden Einzelfallerfordernis abgesehen und eine Befreiung auch in mehreren vergleichbaren Fällen ermöglicht.
Im unbeplanten Innenbereich schafft § 34 Abs. 3b BauGB weitere Gestaltungsspielräume: Ein Bauvorhaben muss sich künftig nicht mehr vollständig in die bestehende Umgebungsbebauung einfügen, solange öffentliche Interessen und nachbarliche Belange angemessen berücksichtigt werden. Damit eröffnen sich neue Chancen für die Entwicklung bislang ungenutzter innerstädtischer Flächen.
Weitere flankierende Regelungen
- Lärmschutz: Gemeinden können in begründeten Fällen vom strikten Regime der TA Lärm abweichen – ein wichtiger Schritt für urbane Nachverdichtungsvorhaben.
- Mieterschutz: Der Umwandlungsschutz nach § 250 BauGB wurde verlängert; zudem bleibt die Möglichkeit der Feststellung eines angespannten Wohnungsmarkts bestehen. Dadurch sollen Verdrängungseffekte verhindert werden.
Bedeutung für Kommunen und Bauherren - Handlungsempfehlungen
Für Kommunen stellt der Bau-Turbo ein neuartiges und kurzfristig einsetzbares Instrument dar, um Wohnraum politisch gesteuert zu aktivieren. Kommunen sollten frühzeitig analysieren, welche Gebiete sich für den Einsatz des Bau-Turbos eignen und in welchen Fällen dieses Instrument einen spürbaren Mehrwert gegenüber den regulären planungsrechtlichen Verfahren bietet. Empfehlenswert ist es, interne Prüfschemata und klare Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln, um Anträge zügig und zugleich rechtssicher bearbeiten zu können. Ebenso sinnvoll ist die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die künftig mit dem neuen Verfahren arbeiten. Eine offene und transparente Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit kann darüber hinaus dazu beitragen, den Einsatz des Bau-Turbos politisch und gesellschaftlich abzusichern.
Auch Bauherren profitieren von der Chance, Projekte umzusetzen, die zuvor an langwierigen Planungsverfahren scheiterten – vorausgesetzt, die jeweilige Gemeinde entscheidet sich für die Anwendung des Bau-Turbos. Bauherren sollten deshalb frühzeitig das Gespräch mit der zuständigen Gemeinde suchen, um zu klären, ob ein Projekt grundsätzlich für das Bau-Turbo-Verfahren in Betracht kommt. Gerade bei Nachverdichtungen, Aufstockungen oder der Umnutzung bestehender Gebäude kann das Instrument erhebliche zeitliche Vorteile bieten. Bereits in der Planungsphase sollten mögliche Umweltauswirkungen sowie potenzielle nachbarschaftliche Konflikte sorgfältig geprüft werden, da diese Aspekte für die Zustimmung der Gemeinde häufig von entscheidender Bedeutung sind. Eine enge Abstimmung mit der Verwaltung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Verfahren zügig und ohne Verzögerungen durchgeführt werden kann.
Ausblick und Fazit
Der Bau-Turbo setzt ein deutliches Signal für mehr Geschwindigkeit im Wohnungsbau. Die Experimentierklausel (§ 246e BauGB) ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet; bis spätestens 31.Dezember 2029 soll ihre Wirksamkeit evaluiert werden. Ob das Instrument in eine umfassendere Reform des Bau- und Planungsrechts überführt wird, hängt maßgeblich davon ab, wie aktiv Kommunen und Bauherren die neuen Möglichkeiten nutzen.
Jetzt bietet sich die Gelegenheit, das Instrument gezielt einzusetzen – und damit einen Beitrag zur dringend benötigten Schaffung von Wohnraum zu leisten.
Autorin: Yvonne Dippold