Themen rund um ESG werden in zunehmenden Maßen auch die Zivilgerichte beschäftigen. Dabei sind bereits heute die verschiedensten Ausprägungen zu beobachten.
So gibt es bereits einige auf das Unterlassen von unternehmerischen Maßnahmen gerichtete Klagen. Zu erwähnen ist u. a. die von drei Privatpersonen jeweils „c/o Deutsche Umwelthilfe e.V.“ gegen die Mercedes Benz Group AG auf Unterlassung des Vertriebs von Personenkraftwagen beim Landgericht Stuttgart eingereichte Klage. Diese wurde mit Urteil vom 12.09.2022 abgewiesen, ohne dass das Landgericht Stuttgart die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof wegen mangelnder Vereinbarkeit mit der Verordnung (EU) 2019 zur Festsetzung von CO2-Emmmissionsnormen oder mit der EU-Grundrechte-Charta sah.
Zu erwähnen sind auch die auf die Einhaltung strikterer Emissionsrichtlinien gegen das jeweilige Management (Vorstand, Geschäftsführung) eingereichten Klagen aktivistischer Gesellschafter. Diese wurden bisher u. a. im Fall der Fa. Royal Shell vom High Court in Großbritannien abgewiesen.
Schließlich ist an Klagen auf Schadensersatz oder Kostenübernahme von durch den Klimawandel betroffener Personen oder Unternehmen zu denken. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Klage des peruanischen Bergbauern Luciano LLiuya gegen den Energiekonzern RWE auf Übernahme von Kosten von Schutzmaßnahmen, die ihm dadurch entstanden sein sollen bzw. entstehen, dass ein oberhalb seines Anwesens befindlicher Stausee durch das Schmelzen des wiederum darüber gelegenen Gletschers überzulaufen droht und deswegen weitreichende Absicherungen erforderlich sind. Nicht überraschend hat das Landgericht Essen die auf Zahlung von 17.000 EUR (= 0,47% der Gesamtkosten, die wiederum dem Emissionsanteil von RWE an den gesamten, weltweiten CO2 Emissionen entsprechen sollen) und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach erhobene Klage mit Urteil vom 15.12.2016 – Az.: 2O 285/15 – abgewiesen. Überraschend ist hingegen, dass das Oberlandesgericht Hamm der hiergegen gerichteten Berufung durchaus Erfolgsaussichten beimisst und deshalb nicht nur ein Sachverständigengutachten angeordnet, sondern sogar vor Ort in Huaraz/Peru Augenschein genommen hat. Der weitere Fortgang des Verfahrens vor dem OLG Hamm bleibt abzuwarten. Vgl. hierzu u. a. OLG Hamm, Beschluss vom 30.11.2017, ZUR 2018, 119.
Abzuwarten bleibt auch, inwieweit die EU-Taxonomie-Verordnung oder das künftige EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD), das in seinen Anforderungen hinsichtlich Risikoanalyse, Risikomanagement, sowie Beschwerdemechanismus deutlich über das bestehende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgeht, Anlass zu einer Fülle weiterer, gegen Unternehmen gerichteter Klagen geben werden. Es bleibt spannend.
Autor: Dr. Theodor Seitz