ESG und die Zivilgerichte

Dr. Theodor Seitz

Themen rund um ESG werden in zunehmenden Maßen auch die Zivilgerichte beschäftigen. Dabei sind bereits heute die verschiedensten Ausprägungen zu beobachten.

So gibt es bereits einige auf das Unterlassen von unternehmerischen Maßnahmen gerichtete Klagen. Zu erwähnen ist u. a. die von drei Privatpersonen jeweils „c/o Deutsche Umwelthilfe e.V.“ gegen die Mercedes Benz Group AG auf Unterlassung des Vertriebs von Personenkraftwagen beim Landgericht Stuttgart eingereichte Klage. Diese wurde mit Urteil vom 12.09.2022 abgewiesen, ohne dass das Landgericht Stuttgart die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof wegen mangelnder Vereinbarkeit mit der Verordnung (EU) 2019 zur Festsetzung von CO2-Emmmissionsnormen oder mit der EU-Grundrechte-Charta sah.

Zu erwähnen sind auch die auf die Einhaltung strikterer Emissionsrichtlinien gegen das jeweilige Management (Vorstand, Geschäftsführung) eingereichten Klagen aktivistischer Gesellschafter. Diese wurden bisher u. a. im Fall der Fa. Royal Shell vom High Court in Großbritannien abgewiesen.

Schließlich ist an Klagen auf Schadensersatz oder Kostenübernahme von durch den Klimawandel betroffener Personen oder Unternehmen zu denken. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Klage des peruanischen Bergbauern Luciano LLiuya gegen den Energiekonzern RWE auf Übernahme von Kosten von Schutzmaßnahmen, die ihm dadurch entstanden sein sollen bzw. entstehen, dass ein oberhalb seines Anwesens befindlicher Stausee durch das Schmelzen des wiederum darüber gelegenen Gletschers überzulaufen droht und deswegen weitreichende Absicherungen erforderlich sind.  Nicht überraschend hat das Landgericht Essen die auf Zahlung von 17.000 EUR (= 0,47% der Gesamtkosten, die wiederum dem Emissionsanteil von RWE an den gesamten, weltweiten CO2 Emissionen entsprechen sollen) und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach erhobene Klage mit Urteil vom 15.12.2016 – Az.: 2O 285/15 – abgewiesen. Überraschend ist hingegen, dass das Oberlandesgericht Hamm der hiergegen gerichteten Berufung durchaus Erfolgsaussichten beimisst und deshalb nicht nur ein Sachverständigengutachten angeordnet, sondern sogar vor Ort in Huaraz/Peru Augenschein genommen hat. Der weitere Fortgang des Verfahrens vor dem OLG Hamm bleibt abzuwarten. Vgl. hierzu u. a. OLG Hamm, Beschluss vom 30.11.2017, ZUR 2018, 119.

Abzuwarten bleibt auch, inwieweit die EU-Taxonomie-Verordnung oder das künftige EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD), das in seinen Anforderungen hinsichtlich Risikoanalyse, Risikomanagement, sowie Beschwerdemechanismus deutlich über das bestehende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgeht, Anlass zu einer Fülle weiterer, gegen Unternehmen gerichteter Klagen geben werden. Es bleibt spannend.

Autor: Dr. Theodor Seitz

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Zulässigkeit einer "Vesting-Regelung“ bei Start-up-Unternehmen

In einem aktuellen Beschluss bestätigt das Kammergericht Berlin, dass Vesting-Regelungen grundsätzlich eine rechtlich zulässige Form der Hinauskündigungsklausel aus einer GmbH darstellen können. Der Beschluss gibt wichtige Leitlinien für die Gestaltung von Gesellschaftervereinbarungen in Start-ups.

Team - Die Anwälte der Kanzlei Seitz Weckbach Fackler & Partner - Christian Ritter - Rechtsanwalt

Training von KI-Modellen - Ein kurzer Aufriss des urheberrechtlichen Rechtsrahmens

Wie kann ich untersagen, dass KIs meine urheberrechtlich geschützten Werke für Trainingszwecke nutzt? Zu dieser Frage des KI-Trainings hat sich das Landgericht Hamburg unlängst geäußert und ein weiteres Mosaiksteinchen zur Antwort beigetragen, unter welchen Voraussetzungen KI-Training zulässig ist. Höchstrichterlich ist diese Frage völlig ungeklärt. Das Landgericht Hamburg versucht sich in einer ersten Einschätzung.

Team - Die Anwälte der Kanzlei Seitz Weckbach Fackler & Partner - Dr. Christoph Knapp - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht

Verwaltungsrat vs. Geschäftsführende Direktoren: Wichtige BGH-Entscheidung zur monistischen SE

Entscheidungen des BGH zur Corporate Governance bei der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea - SE) sind selten und daher umso wichtiger für die Praxis des Gesellschaftsrechts. Vorliegend stehen die gesellschaftsrechtliche Fragen im Kontext einer Schenkung von Kunstwerken mit Fragen der Vertretung und des Schenkungswiderrufs.