Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Urteil vom 02.06.2023 - 6 U 162/22) verfestigt die Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Bauwerken und führt fort, unter welchen Umständen sich Architekten gegen nicht gewünschte Änderungen wehren können. Dieser Beitrag skizziert die aktuelle Rechtsprechung und gibt einen Überblick über urheberrechtliche Ansprüche bei der Änderung und der Entstellung von Werken.
I. Sachverhalt
Der Kläger ist Architekt und hatte im Auftrag des beklagten Bauherren eine Moschee entworfen. Die Gestaltung der Fassade weist Unterschiede zu den bis dato in Deutschland erbauten Moscheen auf. Sie ist schlicht gehalten und vermittelt den Eindruck einer westlichen Formensprache, indem insbesondere kaum Ornamentik verwendet wird und die vertikal lang gezogenen rechteckigen Fenster des Gebäudes von der damals üblichen Gestaltung mit Rundbögen abweicht.
Der zwischen den Parteien ausgehandelte Architektenvertrag befasste sich auch mit der Frage von möglichen nachträglichen baulichen Änderungen der Moschee, behandelte diesen Aspekt allerdings nur stiefmütterlich. Der relevante Passus lautet zusammengefasst:
„Der Bauherr ist berechtigt, an den erstellten baulichen und sonstigen Anlagen Änderungen und Ergänzungen unter Wahrung der geistigen Eigenart vorzunehmen, die der Bauherr mit Rücksicht auf deren Verwendung für zweckmäßig hält.“
Nachträglich und ohne Einverständnis oder Mitwirkung des Architekten brachte der Bauherr an die zwischenzeitlich errichtete Moschee ein Vordach aus Glas und Metall an. Dieses unterscheidet sich nicht nur durch die verwendeten Baustoffe von der Moschee. Im Gegensatz zu dem bereits zuvor fertig gestellten und direkt daneben befindlichen Eingangsbereich ist dieses Vordach auch nicht beinahe rechtwinklig, sondern weist ein erhebliches Gefälle auf. Es wirkt optisch wie ein Fremdkörper. Dieses nachträgliche Vordach wollte der Architekt nicht hinnehmen und verlangte dessen Entfernung, welche er schlussendlich über zwei Instanzen erfolgreich durchfechten konnte.
II. Urteilsgründe
Das Gericht beschäftigt sich im Kern mit zwei urheberrechtlichen Aspekten:
Zunächst wird in Fortführung bestehender Rechtsprechung festgestellt, dass an die Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Werken der Baukunst weiterhin keine überhöhten Anforderungen gestellt werden und letztlich entscheidend ist, ob sich das konkrete Bauwerk von anderen gleichartigen Bauwerken durch bestimmte Merkmale der Gestaltung hervorhebt. Dabei darf regelmäßig die Bauweise nicht nur dem beabsichtigten Zweck dienen. Das Bauwerk muss solche Eigenschaften aufweisen, die von Eigentümlichkeit und Individualität zeugen. Vorliegend war zum Zeitpunkt der Erbauung keine derart schlicht gestaltete Moschee in Deutschland vorhanden, weshalb Urheberrechtsschutz des Architekten an dem Bauwerk besteht.
Der Architekt muss weiter die Errichtung des Vordaches nicht hinnehmen. Dieses ändert den Gesamtcharakter des Gebäudes und passt schlicht nicht in das ästhetische Gesamtbild des Gebäudes. Das OLG Köln geht hier zutreffend von einer „Entstellung“ des Werkes im Sinne von § 14 UrhG aus. Der Urheber hat ein legitimes Interesse am unveränderten Fortbestand seines Werkes. Gerade die Fassade prägt den optischen Gesamteindruck eines Gebäudes und gehört zum Kernbereich des Schutzes vor Entstellungen. Eine Änderung der Fassade ist stets sensibel zu behandeln. Die Entstellung muss zwar in jedem Fall mit den Interessen des Eigentümers des Bauwerkes abgewogen werden und kann im Einzelfall durchaus gerechtfertigt sein. Doch hier mussten die Interessen des Beklagten hinter den Interessen des Architekten zurücktreten. Insbesondere half die vertragliche Abrede dem Beklagten bei der Abwägung der unterschiedlichen Belange nicht. Trotzdem die Klausel andere Formulierungen verwendet, gibt sie im Grunde nur den Gesetzeswortlaut wieder und kann im Rahmen der Interessensabwägung keinen Einfluss nehmen. Denn auch hiernach war die geistige Eigenart des Bauwerkes nicht mehr gewahrt, wenn der ästhetische Gesamteindruck des Werkes beeinträchtigt wird, welcher die geistige Eigenart auszeichnet.
III. Hinweis für die Praxis
Sobald ein Bauwerk die Grenze des Gewöhnlichen verlässt und Merkmale enthält, welche die Verkehrskreise als besonders und individuell, stehen die Chancen für einen urheberrechtlichen Schutz des Bauwerkes gut. Bei der Gestaltung von Architekten- oder Bauträgerverträgen lohnt es sich daher immer, den Einzelfall zu prüfen und die möglichen Rechtsfolgen vertraglich festzulegen oder - sofern zulässig - diese zu modifizieren.
Der Fall des OLG Köln beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Rechten des Werkschöpfers aus § 14 UrhG und § 39 UrhG. Das Urteil verdeutlicht hierbei, weshalb die konkrete Vertragsgestaltung in seinen Formulierungen Präzision erfordert. Und es beweist auch, wie eine nachträgliche vertragliche Absprache oder Einigung mit dem Architekten über eine beabsichtigte Änderung einen Streit in zwei Instanzen hätte vermeiden können. Zu den Kosten des Rückbaus des Vordaches gesellen sich die Kosten des Verfahrens, welche der Bauherr tragen muss.
Autor: Rechtsanwalt Christian Ritter