Ukraine-Krieg: Update zu den Sanktionen gegen Russland und Belarus - was Unternehmen jetzt wissen müssen

Seitz Weckbach Fackler & Partner

Aufgrund der seitens der EU, des Vereinigten Königreichs und der USA als Reaktion auf den von Russland initiierten Ukraine-Krieg verhängten, empfindlichen Sanktionen gegen Russland und Belarus (wir hatten bereits berichtet) drohen im Rahmen von bestehenden Vertragsverhältnissen zu russischen und belarussischen Vertragspartnern ernste Schwierigkeiten. Insbesondere in Bezug auf die rechtzeitige Lieferung der Waren und Dienstleistungen und deren Bezahlung sind Probleme zu erwarten.

Unternehmen mit Vertragsbeziehungen nach Russland oder Belarus müssen deshalb sehr schnell und regelmäßig das veränderte Sanktionsumfeld analysieren und betroffene Vertragsbeziehungen rechtlich prüfen. Zudem sollten weitergehende interne Compliance-Vorkehrungen ergriffen werden.

Nachfolgend geben wir eine aktualisierte Übersicht über die wesentlichen Auswirkungen der Sanktionen auf Lieferbeziehungen. Aufgrund der überaus dynamischen Entwicklungen kann dies nur eine Momentaufnahme sein ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit. Kurzfristige Änderungen der Rechtslage aufgrund weiterer Sanktionen sind zu erwarten.

 

1. Sanktionen gegenüber Russland und Belarus

Mittlerweile gibt es sechs Sanktionspakete der EU, welche Russland und Belarus betreffen. Der jeweils aktuelle Stand der verhängten Sanktionen ist auf der Homepage des Europäischen Rates veröffentlicht: https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-ukraine-crisis/history-ukraine-crisis/.
Daneben haben u.a. die USA, Kanada, das Vereinigte Königreich und die Schweiz umfangreiche Sanktionen erlassen.

Eine Übersicht hierzu findet sich u.a. auf der Website der GTAI: https://www.gtai.de/de/trade/russland/zoll/russland-sanktionen-weltweit-810352

 

2. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich der EU-Sanktionen

Die EU hat die Sanktionsmaßnahmen mit unmittelbar geltendem Recht umgesetzt und bereits seit der Krim- Annexion 2014 bestehende Verordnungen entsprechend angepasst.

Zum einen zielen die Sanktionen auf Personen, Unternehmen und Institutionen ab, mit denen bestimmte Arten von Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen bis auf weiteres eingeschränkt oder ganz verboten sind. Hier gibt es umfassende Sanktionslisten der USA, der EU und des Vereinigten Königreichs, die im Einzelfall zu prüfen sind.

Zum anderen setzen die Sanktionen sachliche, d.h. güterbezogene Handelsbeschränkungen in Kraft wie z.B. Ausfuhrund Einfuhrverbote, Verbote von Investitionen oder Dienstleistungen, die vor allem den Finanzsektor betreffen, aber auch Hersteller bestimmter Produkte wie Dual-Use-Güter, Flugzeugteile, Halbleiter, Hightech- und Schifffahrts-Güter:

a) Güterbezogene Sanktionen

Für die folgenden Güter gilt ein umfassendes Exportverbot mit Beschränkungen für unterstützende Dienstleistungen:

  • Dual-Use-Güter
  • Hochtechnologie mit Verteidigungs- und Sicherheitsbezug
  • Luft- und Raumfahrt
  • Petrochemie (Ölraffination)
  • Schifffahrtsgüter.

Ausnahmen von diesen Verboten werden nur in engen Grenzen und für bestimmte Bereiche zugelassen. Für Verträge, die vor Erlass der Sanktionen abgeschlossen wurden, gelten jeweils Übergangsregelungen, die unterschiedlich ausgestaltet sind.

b) Finanzsanktionen

Die bereits bestehenden Finanzsanktionen wurden ausgeweitet, um Russland und Belarus den Zugang zu den
Kapitalmärkten abzuschneiden, z.B.:

  • „Einfrieren“ von Geldern und „wirtschaftlichen Ressourcen“ bestimmter Personen und Unternehmen;
  • Verbot des Handels mit übertragbaren Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten;
  • Verbot von Beteiligungen an der Neuvergabe von Darlehen oder Krediten für bestimmte Kreditinstitute und Unternehmen;
  • Verbot für Wertpapierdienstleistungen (bspw. Führung eines Depotkontos) in der EU für in Russland ansässige Personen;
  • Verbot der Entgegennahme von Einlagen von russischen Staatsangehörigen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, wenn der Gesamtwert der Einlagen pro Kreditinstitut EUR 100.000 übersteigt;
  • Ausschluss bestimmter russischer und belarussischer Banken aus dem weltweiten Zahlungssystem SWIFT.

 

3. Wie funktionieren die EU-Sanktionen rechtlich?

Grundlage der Sanktionen ist, soweit es um das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen geht, die Verordnung EU/269/2014 des Rates vom 17. März 2014. Als Reaktion auf die Beteiligung von Belarus gibt es gesonderte, aber gleich gelagerte Rechtsakte.

Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung sind sämtliche Gelder und wirtschaftliche Ressourcen ipso iure „eingefroren“, die im Eigentum oder Besitz von sanktionierten Personen stehen oder von diesen kontrolliert werden.

In Art. 1 f) der Verordnung wird „Einfrieren“ wie folgt definiert:

„Einfrieren von Geldern“ die Verhinderung jeglicher Form der Bewegung, des Transfers, der Veränderung und der Verwendung von Geldern sowie des Zugangs zu ihnen oder ihres Einsatzes, wodurch das Volumen, die Höhe, die Belegenheit, das Eigentum, der Besitz, die Eigenschaften oder die Zweckbestimmung der Gelder verändert oder
sonstige Veränderungen bewirkt werden, die eine Nutzung der Gelder einschließlich der Vermögensverwaltung ermöglichen;“

Art. 2 Abs. 2 der Verordnung statuiert ein an jedermann gerichtetes Verbot, die „eingefrorenen Ressourcen“ den Sanktionsadressaten in irgendeiner Weise zugutekommen zu lassen. Bei Ressourcen, die Erträge abwerfen (etwa durch Miete oder Pacht), gilt das auch für diese Erträge.

Welche natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen Sanktionsadressaten sind, ergibt sich aus Annex I der Verordnung. Diesen Adressatenkreis kann der Rat der Europäischen Union durch Delegierte Verordnungen jederzeit ergänzen / abändern. Davon wurde bisher schon mehrfach Gebrauch gemacht.

Nach dem Wortlaut sind nicht nur die Ressourcen von Sanktionsadressaten eingefroren, sondern auch Ressourcen von solchen natürlichen oder juristischen Personen, die von Sanktionsadressaten „kontrolliert“ werden. Zur Auslegung des Begriffs der Kontrolle finden sich weder in der Verordnung oder Rechtsprechung nähere Hinweise, es erscheint aber sinnvoll, dies im Sinne der aus dem Geldwäscherecht bekannten Figur des „wirtschaftlich Berechtigten“ (ultimate beneficial owner) zu verstehen.

Auf Grund der unmittelbaren Anwendbarkeit der EU-Sanktionen (Verordnung) bedarf die Freezing-Anordnung keines gesonderten Umsetzungsakts (Beschlagnahme o. ä.) einer deutschen Behörde: In Deutschland befindliche Ressourcen, die dem Sanktionsregime unterfallen, sind automatisch eingefroren. Oftmals wird das Sanktionsziel aber nur erreicht werden können, wenn eine nationale Behörde, der EU-Verordnung zur effektiven Anwendung verhilft. In vielen Fällen wird auch die Gefahr bestehen, dass die Sanktionierten selbst oder Dritte eine eingefrorene Ressource verschieben wollen. Hier sind sichernde Maßnahmen wie z.B. die Beschlagnahme einer Mobilie oder die Eintragung einer Sicherungshypothek bei einer Immobilie nötig.

Das EU-Recht enthält zu den vorstehend beschriebenen Maßnahmen keine Regelung und überlässt die konkrete Umsetzung den Mitgliedstaaten. In der Bundesrepublik Deutschland befindet sich, obwohl das EUSanktionsrecht schon lange in Kraft ist, nämlich seit 2014, aktuell noch in Klärung (!), wer zuständig ist. Hier könnte kurzfristig die Zollfahndung tätig werden. Sie ist gemäß Zollfahndungsdienstgesetz zur Sicherstellung von Sachen befugt, wenn dies erforderlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr für die außenwirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren. Da Verstöße gegen das EU-Sanktionsrecht gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) AWG auch strafbar sind, kann in einigen Fallkonstellationen ggf. auch das strafprozessuale Instrumentarium zum Einsatz kommen (Beschlagnahme, Einziehung etc.).

 

4. Gegenreaktionen Russlands

Als Reaktion auf die Sanktionen, welche die USA, die EU und weitere Länder gegen Russland verhängt haben, hat Russland eigene Maßnahmen zum Schutz der russischen Wirtschaft eingeführt. Exemplarisch seien nur folgende genannt:

  • Obligatorischer Verkauf von Fremdwährungseinnahmen
  • Transaktionen mit Immobilien und Wertpapieren zustimmungspflichtig
  • Verbot der Rückzahlung von Krediten
  • Verbot von Dividenden und sonstiger Zahlungen aus Wertpapieren
  • Verbot von Bargeldausfuhr
  • Drohende Insolvenzverfahren und strafrechtliche Haftung für die Einstellung der Geschäftstätigkeit durch ausländische Investoren
  • Aufhebung des Patent- und Markenschutzes für ausländische Inhaber
  • Zwangsverwaltung von russischen Werken und Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen (Quasi-Enteignung).

 

5. Rechtliche Folgen der Sanktionen für (Liefer-)Verträge

a) Vertragliche Regelungen

Internationale Verträge sehen regelmäßig Klauseln zur „force majeure“ bzw. „höheren Gewalt“ vor, die u.a. für den Kriegsfall eine Aussetzung von Leistungspflichten zur Folge haben. Manchmal sind auch sog. Sanktionsklauseln enthalten, die das Recht vorsehen, vertragliche Bindungen sofort zu lösen, wenn die
Geschäftstätigkeit gegen Sanktionsregelungen verstoßen würde.

Unternehmen sollten sich juristisch beraten zu lassen, bevor sie sich auf die entsprechenden Klauseln berufen, deren Rechtsgültigkeit und Durchsetzbarkeit im Einzelfall fraglich sein kann.

aa) Force-Majeure-Klauseln

In vielen Verträgen sind Regelungen zu „höherer Gewalt“ (sog. „Force-Majeure-Klauseln“) enthalten. Unter „höherer Gewalt“ versteht man betriebsfremde, unvorhergesehene, von keiner der Parteien verschuldeten Umstände oder Vorkommnisse, die auch bei größter kaufmännischer Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Die Regelungen haben den Zweck, die Folgen von Störungen der vertraglich vereinbarten Leistungen durch Umstände oder Ereignisse zu regeln, die der Kontrolle der Vertragsparteien entzogen sind.

Der Ukraine-Krieg und damit zusammenhänge bestehende Exportverbote, Einfuhrbeschränkungen, Grenzschließungen sowie Kriegshandlungen sind ein solches Ereignis.
Durch solche Force Majeure Klauseln verlängern sich die Leistungstermine und -fristen üblicherweise um die Dauer der höheren Gewalt. Die Leistungspflicht wird zunächst noch nicht endgültig aufgehoben, sondern nur vorübergehend unter gleichzeitigem Ausschluss von Schadensersatzverpflichtungen suspendiert. Viele Klauseln
enthalten zudem ein außerordentliches Kündigungsrecht, sollte die höhere Gewalt über einen bestimmten Zeitraum, meist einige Monate, anhalten.

bb) Sanktionsklauseln

Sogenannte Sanktionsklauseln in Exportverträgen schieben das Inkrafttreten eines Vertrages bis zur Erlangung der entsprechenden behördlichen Bewilligung hinaus und machen die rechts- und vertragskonforme Beendigung des Vertrag bei Inkrafttreten neuer Sanktionen möglich.

Insbesondere Versicherungs- und Kreditverträge sehen häufig das Recht vor, sich sofort von vertraglichen Verbindungen zu lösen, wenn Unternehmen durch ein Geschäft gegen neue Sanktionsverordnungen verstoßen würden, so z.B. eine Musterbedingung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft:

„Es besteht – unbeschadet der übrigen Vertragsbestimmungen – Versicherungsschutz nur, soweit und solange dem keine auf die Vertragsparteien direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen.“

Wenn eine solche oder ähnliche Sanktionsklausel im Vertrag enthalten ist, sollte diese auf ihre Anwendbarkeit im aktuellen Fall und ihre Auswirkungen geprüft werden. Verträge mit Russland-Bezug sollten - auch in Hinblick auf zukünftige Sanktionen – generell mit Sanktionsklauseln versehen werden. Da russische Gerichte diese in der Regel nicht anerkennen, ist auch auf die Rechtswahl und Gerichtsstandsklauseln zu achten.

b) Verträge ohne besondere Regelungen

Enthalten weder die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge noch die AGB besondere Regelungen zu Force Majeure / höhere Gewalt, müssen die Auswirkungen der Sanktionen über allgemeine Rechtsgrundsätze gelöst werden.

aa) Unmöglichkeit, § 275 BGB

Die aktuellen Sanktionen können grundsätzlich zu einem Fall der Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB führen. Dadurch wird der Schuldner zunächst von seiner Leistungspflicht befreit, zugleich entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung. Das bestehende Vertragsverhältnis wird damit aufgelöst. Bereits geleistete Zahlungen sind
zurückzuerstatten.

bb) Unsicherheitseinrede, § 321 BGB

Weiterhin kann auf Grund der plötzlich eintretenden Gefährdung der Leistungsfähigkeit des Vertragspartners gemäß § 321 Abs. 1 S. 1 BGB bei Vorliegen gewisser Umständen ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht werden (sog. Unsicherheitseinrede). Diese Gefährdung der Leistungsfähigkeit darf allerdings bei Vertragsschluss nicht erkennbar gewesen und erst nach Abschluss des Vertrags bei dessen Erfüllung aufgetreten sein.

cc) Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB

Sofern der Vertrag keine vorrangigen Spezialregelungen enthält, ist auch denkbar, eine Anpassung oder Kündigung des Vertrags auf Basis der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB zu erzielen. Hiernach kann die Anpassung eines Vertrages verlangt werden, wenn sich vertragswesentliche Umstände schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten, sofern sie von der Veränderung bei Vertragsschluss gewusst hätten und der Partei, die sich auf Anpassung beruft, nach den Umständen ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zugemutet werden kann.

Die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage dürften für die im Zusammenhang der russischen Invasion verhängten Sanktionen und etwaige Störungen in der Lieferbeziehung erfüllt sein.

c) Neue Verträge

Verstöße gegen Sanktionsregelungen können nicht nur straf- und verwaltungsrechtliche Folgen für Unternehmen und die beteiligten Mitarbeiter haben, von der Geschäftsleitung bis zur Exportkontrollabteilung, und empfindliche Strafen nach sich ziehen, sie wirken sich auch zivilrechtlich auf die Wirksamkeit von Verträgen etc. aus.

Die Sanktionen wirken sich jedenfalls auf neue Verträge so aus, dass der Abschluss des Geschäfts und dessen Durchführung gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB verstoßen und damit zivilrechtlich nichtig sind.

Wenn aufgrund einer gründlichen Prüfung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass Russland/Belarus-Geschäfte von den neuen Sanktionen betroffen sind, ist daher dringend zu empfehlen, jegliche Exportvorgänge und Zahlungen vorübergehend auszusetzen und keine neuen Verträge, Bestellungen oder Auftragsbestätigungen zu
unterzeichnen.

Bei neuen Verträgen auch ohne konkreten Russland/Ukraine-Bezug kann es sich generell anbieten, zur Abfederung zu erwartenden mittelbaren Folgen aus dem Krieg im Hinblick auf Lieferketten und Preissteigerungen spezielle Regelungen aufzunehmen.

 

6. Handlungsempfehlungen

a) Interne Organisation / Compliance

Verstöße gegen Sanktionsregelungen können straf- und verwaltungsrechtliche Folgen haben. Sowohl Unternehmen als auch die beteiligten Mitarbeiter, von der Geschäftsleitung bis zur Exportkontrollabteilung, können bei Verstößen mit empfindlichen Strafen belegt werden.

  • Je nach Unternehmensstruktur und der Art der Geschäftsbeziehungen mit Russland und der Ukraine können die neuen Sanktionen direkt oder indirekt für die Abteilungen Einkauf, Vertrieb, Exportkontrolle, Vertragsmanagement, allgemeine Compliance und Recht relevant sein.
  • Es ist für eine klare Zuständigkeit und Koordination im Unternehmen zu sorgen: Die Geschäftsleitung bzw. der Ausfuhrverantwortliche im Unternehmen sollte das weitere Vorgehen zentral koordinieren und dabei sicherstellen, dass alle potenziell betroffenen Unternehmensbereiche koordiniert und einheitlich handeln.

b) Prüfung der Geschäftskontakte

Bei Geschäften mit russischen oder belarussischen Vertragspartnern ist zunächst dringend zu prüfen, ob der Geschäftspartner von den Sanktionen persönlich betroffen ist. Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Unternehmens umgehend zu überprüfen, ob eine der aufgeführten Personen oder Institutionen Teil seiner
Geschäftsbeziehungen ist.

  • Es ist ein detailliertes Screening aller Geschäftskontakte im Hinblick auf die Sanktionslisten durchzuführen, ggf. mit Hilfe entsprechender Software. Die aktuellen Sanktionen der EU und der USA enthalten Listen von Personen, Unternehmen und Institutionen, einschließlich Kreditinstituten, mit denen jegliche Transaktionen undGeschäftsbeziehungen bis auf Weiteres verboten sind.
  • Bei Unternehmen ist weiter zu prüfen, ob die dahinterstehenden, wirtschaftlich berechtigten Personen als sog. ultimate beneficial owners von der Sanktionsliste erfasst sind.
  • Außerdem sind die güterbezogenen Beschränkungen zu prüfen, d.h. ob die betreffenden Güter und Leistungen ohne Rücksicht auf bestimmte Personen schon von den Sanktionen betroffen und damit verboten sind.

c) Prüfung aktueller Lieferungen und Leistungen

Liegt ein Sanktionslistentreffer vor und/oder ist eine Handelsbeschränkung einschlägig, sind die damit verbundenen Folgen zu prüfen. Hierbei ist zwischen Neuverträgen, d.h. solchen die nach Inkrafttreten der Sanktionen abgeschlossen werden sollen, und Bestandsverträgen zu differenzieren.

  • Neuverträge mit sanktionierten Personen oder über betroffene Güter dürfen grundsätzlich nicht abgeschlossen
    werden.
  • Hinsichtlich bereits vor Erlass der Sanktionen abgeschlossener Bestandsverträge ist zu prüfen, ob in den Sanktionsverordnungen Abwicklungsfristen enthalten sind, die es unter Umständen im Einzelfall ermöglichen, den Vertrag noch für eine bestimmte Übergangsfrist zu erfüllen. Hierbei ist große Sorgfalt anzuwenden, da ein Verstoß gegen die Sanktionsbestimmungen einen Straftatbestand oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Wenn aufgrund einer gründlichen Prüfung nicht mit Sicherheit auszuschließen ist, dass das betreffende Russland/Belarus-Geschäft von den neuen Sanktionen betroffen ist, sollten entsprechende Exportvorgänge und Zahlungen vorläufig ausgesetzt und keine neuen Verträge, Bestellungen oder Auftragsbestätigungen unterzeichnet werden.


d) Prüfung der Auswirkungen auf Bestandsverträge

Sofern bestehende Vertragsverhältnisse mittelbar oder unmittelbar vom Ukraine-Krieg und damit verbunden Restriktionen bzw. Sanktionen betroffen sind, ist zu empfehlen, die Vertragsdokumente hinsichtlich spezieller Regelungen (Force Majeure Klauseln, Vorauszahlungsverlangen, Informationspflichten etc.) zu prüfen.

  • In Betracht kommen dabei zunächst sog. Force-Majeure-Klauseln. Außerdem sollten etwaige Sanktionsklauseln geprüft werden.
  • Mit den betroffenen Vertragspartnern ist sehr zeitnah Kontakt aufzunehmen, um ggf. bestehenden Informationspflichten nachzukommen.
  • Parallel dazu sollte ermittelt werden, ob unabhängig von einer vertraglichen Regelung auf die gesetzlichen Rechtsinstitute der Unmöglichkeit, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder der Unsicherheitseinrede zurückgegriffen werden kann.
  • Zur Vermeidung von Zahlungsausfällen oder -verzögerungen, die ggf. aus dem SWIFT-Ausschluss resultieren, sollte der Lieferant darauf drängen, auf Vorkasse umzustellen. Auch sollte versucht werden durch die Neuverhandlung entsprechender Incoterms (EXW, FCA Deutschland) das Transportrisiko auf den Kunden zu
    verlagern. Als rechtlicher Hebel hierzu können ggf. die oben erläuterten Force-Majeure-Klauseln oder die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dienen.

Die politische und rechtliche Situation rund um den Ukraine-Krieg ist weiterhin äußerst dynamisch, so dass sich gerade bei den Sanktionen laufend Änderungen ergeben können, die zu beachten sind.

Für die rechtliche Begleitung Ihres internationalen Geschäfts steht Ihnen unser Unternehmensrechts-Team (RA Dr. Theodor Seitz, RA Dr. Sven Friedl, RA Urs Lepperdinger, RAin Sandra Hollmann und RA Dr. Christoph Knapp) gerne zur Verfügung.

 

Autor: Dr. Christoph Knapp

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