Neuregelung des strafrechtlichen Sanktionenrechts

Seitz Weckbach Fackler & Partner

Bereits Ende 2022 konnte sich Bundesjustizminister Marco Buschmann mit seinen Plänen zur Reform des strafrechtlichen Sanktionenrechts durchsetzen. Im Vordergrund sollten dabei einmal – ganz unüblich für die strafrechtlichen Reformen der letzten Jahre – nicht höhere Strafen und neue Strafvorschriften stehen. Es sollte vielmehr um die Anpassung der bestehenden Straftatbestände an die heutige Zeit und den Umgang mit den Straftätern gehen. Gestärkt werden sollten insbesondere Resozialisierung und Prävention. Gleichzeitig wollte Buschmann den Staat und seine Einrichtungen entlasten.

Am 26. Juli 2023 war es nun soweit – das Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts wurde beschlossen. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt fand am 02. August 2023 statt (BGBl. 2023 I Nr. 203). Das Gesetz soll zum 01. Oktober 2023 in Kraft treten. Demnach stehen bald zahlreiche Änderungen an. Die Wichtigsten dürfen wir Ihnen im Überblick darstellen:

I.    Ersatzfreiheitsstrafen
Der Umrechnungsmaßstab von Geldstrafe in Ersatzfreiheitsstrafe wird halbiert.

Jemand, der z.B. eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu beispielsweise je zehn Euro nicht zahlt, muss dann zukünftig nicht mehr 60 Tage ins Gefängnis, sondern nur noch 30 Tage. Damit soll der Umfang der tatsächlich vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafe verringert werden (und gleichzeitig dem Staat auch Haftkosten erspart werden).

Gleichzeitig soll auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht werden, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freiwillige Arbeitsstunden abgewendet werden kann.

II.    Reform des Maßregelrechts
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) wird auf Personen beschränkt, bei denen aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums die Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten besteht. Daneben soll die zeitnahe Rücküberstellung von Personen in den Strafvollzug gestärkt werden, bei denen feststeht, dass die Behandlung erfolglos war oder ist. Künftig sollen nur noch diejenigen Personen eingewiesen werden, bei denen eine positive Behandlungsprognose besteht. So soll der zunehmenden Überlastung der Entziehungsanstalten entgegengewirkt werden.

III.    Erweiterung der Strafzumessungsnorm § 46 StGB
„Geschlechtsspezifische“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive werden ausdrücklich als bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Umstände genannt. Dies soll dazu beitragen, vor allem gegen Frauen und LSBTI-Personen gerichtete Hassdelikte angemessen zu ahnden.

IV.    Auflagen und Weisungen
Die Möglichkeit einer Therapieweisung – etwa im Rahmen einer Bewährungsaussetzung – wird ausdrücklich eröffnet. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass durch ambulante Therapien Rückfälle effektiv reduziert werden können. Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt wird zusätzlich die Erteilung einer gemeinnützigen Arbeitsauflage ermöglicht.

Autor: Rechtsanwältin Annika Erhardt

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