Einkünfte für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied sind einkommensteuerlich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit („sonstige selbständige Arbeit“). Dies steht so im Gesetz, § 18 (1) Nr. 3 EStG. Auch deshalb gab es über Jahrzehnte hinweg eine gefestigte Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, wonach solche Tätigkeiten grundsätzlich auch umsatzsteuerlich mit Unternehmereigenschaft ausgeübt werden.
Diese Rechtsklarheit hat mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 und – gezwungenermaßen folgend – einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) leider ein Ende gefunden, nachdem sich im Jahr 2021 auch die deutsche Finanzverwaltung diesen Vorgaben anschließen musste.
Was war passiert? Der EuGH hatte zum Sachverhalt eines Kommunalbeamten, der in einer Stiftung zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt worden war und hierfür eine Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzungen noch von sonstigen Leistungsparametern abhängig war, entschieden, dass dieser keine selbständige wirtschaftliche
Tätigkeit im Sinn der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie ausübt.
Der BFH folgte dem im Fall eines Konzernangestellten, der in einer Konzerntochtergesellschaft zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt worden war und hierfür eine jährliche Festvergütung von 20.000 € erhielt. Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil rückte der BFH ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, die – so der BFH – „ohne weitergehende Differenzierung davon ausgegangen (war), dass Mitglieder von Aufsichtsräten als Unternehmer nach § 2 (https://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=USTG&p=2) Abs. 1 (https://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=100&g=USTG&p=2&x=1) UStG tätig“ sind, um sich dem EuGH-Urteil „unter Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung für den Fall an(zuschließen), dass das Mitglied des Aufsichtsrats kein wirtschaftliches Risiko trägt“. Dies wurde im Urteilsfall dann bejaht, weil der steuerpflichtige Aufsichtsrat „eine jährlich gleich hohe Festvergütung erhielt, die keinerlei variable Vergütungsbestandteile aufwies“.
Diese Rechtsprechungsänderung und dieses Kriterium (feste oder variable Vergütung) hat nach längerer Abstimmung auch das Bundesfinanzministerium (BMF) übernommen und entsprechende Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) aufgenommen. Hiernach gilt, dass ein Aufsichtsrat, der allein eine Festvergütung erhält, umsatzsteuerlich nicht selbständig tätig ist, während ein Aufsichtsrat, der eine variable Vergütung erhält, umsatzsteuerlich weiterhin als selbständig qualifiziert wird. In „Mischfällen“, in denen neben einer Festvergütung auch variable Vergütungsbestandteile gewährt werden (z.B. Sitzungsgelder, die nur bezahlt werden, wenn das einzelne Aufsichtsratsmitglied auch tatsächlich an der Sitzung teilnimmt), neigt die Finanzverwaltung der Selbständigkeit zu: Auch nach den neuen Regeln ist von Selbständigkeit auszugehen, wenn die variablen Bestandteile im Geschäftsjahr der Gesellschaft mindestens 10 % der gesamten Vergütung betragen. (UStAE 2.2 Abs. 3a). Dies kann im Einzelfall Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten oder auch ungewollte Wendungen nehmen, wenn etwa mehr oder weniger Sitzungen in einem Geschäftsjahr stattfinden und dementsprechend mehr oder weniger Sitzungsgelder anfallen.
Nachdem die Umsatzsteuerpflicht als solche Vorteile (Vorsteuerabzug) oder Nachteile (bürokratischer Aufwand) bieten kann, sollten schon im Vorhinein Sachverhalt und Rechtsfolgen im Auge behalten werden. Hierbei sind wir Ihnen im Bedarfsfall gerne behilflich.
Autor: Dr. Rudolf Wittmann