Seit dem 1. April 2025 ist das „Gesetz zur Stärkung des Justizstandorts Deutschland“ in Kraft. Damit soll dem Trend entgegengewirkt werden, wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten zunehmend ins Ausland oder in Schiedsverfahren zu verlagern. Mit der Einführung von Commercial Courts und Commercial Chambers bietet Deutschland nun ein spezialisiertes, attraktives Forum für komplexe Unternehmensstreitigkeiten – auch vollständig auf Englisch.
Was sind Commercial Courts?
Commercial Courts sind besondere Senate an Oberlandesgerichten, die wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert ab 500.000 EUR verhandeln. Die Verfahren können auf Wunsch der Parteien vollständig auf Englisch geführt werden –bis zur letzten Instanz. Damit soll internationalen Unternehmen der Zugang zur deutschen Justiz erleichtert werden.
Zuständigkeit und Verfahren
Die Commercial Courts befassen sich insbesondere mit:
• Zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Unternehmen
(mit Ausnahmen, z. B. im IP-Recht),
• Konflikten im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen,
• Streitigkeiten zwischen Gesellschaften und deren Organmitgliedern.
Eine Klage bei einem Commercial Court ist auch nur dann zulässig, wenn sich die Parteien über dessen Zuständigkeit einig sind. Anderenfalls müsste die Klage an das nach der Prozessordnung zuständige Landgericht verwiesen werden.
Die Verfahren vor den Commercial Courts orientieren sich an den neu eingeführten Regeln der §§ 606 ff. ZPO und folgen dem Vorbild von Schiedsverfahren: So soll beispielsweise in einem Organisationstermin der Ablauf des Verfahrens detailliert festgelegt werden. Auf Antrag kann ein umfassendes Wortprotokoll erstellt werden. Gegen Urteile ist eine Revision möglich – anders als bei Schiedssprüchen besteht also die Möglichkeit der Überprüfung durch eine weitere Instanz.
Der Commercial Court am OLG München
Auch Bayern hat seit dem 1. Juni 2025 einen eigenen Commercial Court am OLG München – der erste im Freistaat. Die Zuständigkeit ist hier auf Lieferkettenstreitigkeiten und Organhaftung beschränkt. Die örtliche Zuständigkeit ist nicht begrenzt, was dem Court überregionale Bedeutung verleiht.
Ergänzend: Commercial Chambers
Für Verfahren mit Streitwerten unter 500.000 EUR können Bundesländer an Landgerichten Commercial Chambers einrichten. Berufungen führen dann zum Commercial Court. Solche Kammern existieren bereits z. B. in Stuttgart, Hamburg, Düsseldorf, Köln und Berlin.
Fazit
Ob und in welchem Umfang die neuen Strukturen von Unternehmen und Prozessparteien angenommen werden, bleibt abzuwarten. Die Commercial Courts bieten jedoch einen strukturellen Rahmen, der auf Effizienz, Spezialisierung und internationale Anschlussfähigkeit ausgerichtet ist – und damit neue Möglichkeiten für wirtschaftsrechtliche Verfahren am Justizstandort Deutschland eröffnet.
Autorin: RAin Christin Böck