News 3

BGH erlaubt Ausschluss von AGB-Recht in Schiedsvereinbarungen

Dr. Christoph Knapp

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer wichtigen Entscheidung vom 9. Januar 2025 (Az. I ZB 48/24) die Rechtssicherheit bei Schiedsvereinbarungen zwischen Unternehmen deutlich erhöht. Das Urteil ermöglicht es Vertragsparteien, deutsches Recht als anwendbares Recht zu wählen, dabei jedoch die Anwendung des deutschen AGB-Rechts (§§ 305-310 BGB) auszuschließen.

Die Ausgangslage: Deutsches AGB-Recht als Standortnachteil

Das deutsche Recht für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) wird im Unternehmensverkehr allgemein als zu streng angesehen. Während die besonders strengen Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht unmittelbar gelten, finden sie durch die Generalklausel des § 307 BGB dennoch - und in den letzten Jahren sogar verstärkt - Eingang in die AGB-Kontrolle zwischen Unternehmen.

Diese strenge Kontrolle kann in langfristigen Verträgen, wie beispielsweise Rahmenlieferverträgen, problematisch werden. Insbesondere Preisanpassungsklauseln, die in langfristigen Lieferbeziehungen oft unerlässlich sind, oder Haftungsbegrenzungsklauseln können durch die AGB-Kontrolle in ihrer Wirksamkeit gefährdet werden. Dies wird im internationalen Rechtsverkehr als Standortnachteil angesehen.

Der Sachverhalt des BGH-Falls

Der Fall betraf einen Vertrag über Werkleistungen für ein in den Niederlanden zu errichtendes Solarkraftwerk. Die Parteien hatten in ihrer Schiedsklausel folgende Regelung aufgenommen:

  1. Alle Streitigkeiten sollten nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs entschieden werden.
  2. Das anwendbare Recht war deutsches Recht, jedoch mit der ausdrücklichen Vereinbarung, "auf die Berufung der Anwendung der §§ 305 bis 310 BGB zu verzichten".

Der Kläger, der selbst die Schiedsklage erhoben hatte, stellte später beim Kammergericht Berlin einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens. Er argumentierte, die Schiedsklausel sei unwirksam, da durch den Ausschluss des AGB-Rechts die Gefahr bestehe, dass das Schiedsgericht die im Vertrag enthaltene Vertragsstrafenregelung anwenden würde, obwohl diese gegen das AGB-Recht verstoße.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des Kammergerichts zurückgewiesen und damit den Weg für eine beschränkte Rechtswahl in Schiedsvereinbarungen geebnet. Die wichtigsten Feststellungen des Gerichts:

  1. Wirksame Schiedsvereinbarung: Die Schiedsklausel selbst war formwirksam vereinbart und erfüllte alle Anforderungen an Form und Inhalt.
  2. Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung: Die Wirksamkeit der eigentlichen Schiedsvereinbarung ist grundsätzlich unabhängig von der Wirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen der Parteien über das Schiedsverfahren oder einer möglichen Unwirksamkeit der Regelung zum Ausschluss des AGB-Rechts.
  3. Trennbarkeit der Klauseln: Der BGH bestätigte die Teilbarkeit von Schiedsklauseln. Die eigentliche Schiedsklausel bleibt auch dann wirksam, wenn einzelne Verfahrensbestimmungen unwirksam sein sollten.
  4. Kontrolle des Schiedsspruchs: Eine Kontrolle bleibt durch die Möglichkeit der Aufhebung eines Schiedsspruchs gewahrt. Im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungs- oder Aufhebungsverfahrens kann ein staatliches Gericht prüfen, ob die Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen den ordre public verstoßen würde.

Bedeutung für die Praxis

Diese Entscheidung dürfte im Wirtschaftsverkehr erhebliche Auswirkungen haben:

  1. Mehr Rechtssicherheit: Vertragsparteien können nun mit deutlich höherer Rechtssicherheit deutsches Recht unter Ausschluss des AGB-Rechts vereinbaren, wenn sie gleichzeitig eine Schiedsvereinbarung treffen.
  2. Erhöhte Gestaltungsmöglichkeiten: Insbesondere bei langfristigen Verträgen erhalten die Parteien mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Preisanpassungsklauseln, Haftungsbegrenzungen und anderen Regelungen, die sonst einer strengen AGB-Kontrolle unterliegen würden.
  3. Praktische Umsetzung: Bei der Vertragsgestaltung sollte auf eine sorgfältige Formulierung der Schiedsklausel und der Rechtswahl geachtet werden. Die Schiedsklausel sollte klar von anderen Verfahrensregelungen getrennt sein.
  4. Grenzen beachten: Die Entscheidung beseitigt nicht alle Unsicherheiten. Die Grenzen des ordre public bleiben bestehen - ein Schiedsspruch, der zu schlechthin nicht mehr tragbaren Vertragsfolgen führt, kann nach wie vor aufgehoben werden.

Ausblick

Langfristig könnte zwar nur der Gesetzgeber vollständige Klarheit schaffen, indem er das AGB-Recht im Unternehmensverkehr reformiert und die Abwahl zumindest in Verträgen zwischen (größeren) Unternehmen ausdrücklich erlaubt. Die aktuelle politische Diskussion deutet bereits in diese Richtung.

Die aktuelle BGH-Entscheidung bietet aber schon jetzt einen praktikablen Weg, um die strengen Regeln des deutschen AGB-Rechts in bestimmten Konstellationen zu vermeiden und dennoch im Übrigen von den Vorteilen des deutschen Rechts zu profitieren.

Für die vertragsgestaltende Beratung steht Ihnen unser Unternehmensrechts-Team (RA Dr. Theodor Seitz, RA Urs Lepperdinger, RAin Sandra Hollmann, RA Dr. Sven Friedl, RA Julius Weißenberg und RA Dr. Christoph Knapp) gerne zur Verfügung.

Dr. Christoph Knapp

07.04.2025

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Team - Die Anwälte der Kanzlei Seitz Weckbach Fackler & Partner - Christian Ritter - Rechtsanwalt

Runde 1: GEMA gegen OpenAI – Der rechtliche Rahmen für KI und Musik in Deutschland

Zum Jahresende 2025 hat das Landgericht München I (Az. 42 O 14139/24) ein bemerkenswertes Urteil erlassen, das für alle Akteure der Kreativbranche ebenso wie für die Entwickler Künstlicher Intelligenz signalhaft ist. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob KI-Anbieter wie OpenAI urheberrechtlich geschützte Musikwerke, insbesondere Songtexte, ohne vorherige Lizenz für Trainingszwecke oder als Output ihres Systems verwenden dürfen. Das Urteil betrifft dabei die Liedtexte neun bekannter deutscher Urheberinnen und Urheber (darunter „Atemlos“ von Kristina Bach oder „Wie schön, dass du geboren bist“ von Rolf Zuckowski). Die Bedeutung der Entscheidung ist kaum zu unterschätzen – sie gibt erstmals klare Antworten auf viele in der Branche bislang offene Fragen und stößt damit eine notwendige Diskussion zum Verhältnis von Urheberrecht und KI-Technologie an.

Swfp Mood 80

Earn-Out als Arbeitslohn beim Unternehmensverkauf – Das FG Köln und die Folgen für die M&A-Praxis

Earn-Out-Klauseln sind in Unternehmenskaufverträgen ein bewährtes Instrument, um den Kaufpreis teilweise von der künftigen Unternehmensentwicklung oder der weiteren Mitarbeit des Verkäufers abhängig zu machen. Die rechtssichere Gestaltung und steuerliche Qualifizierung solcher Komponenten stellt jedoch in der M&A-Praxis immer wieder eine Herausforderung dar. Besonders relevant: Die Unterscheidung, ob ein Earn-Out als (begünstigter) Veräußerungsgewinn oder als voll steuer- und sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn zu behandeln ist. Diese Weichenstellung hat erhebliche finanzielle Konsequenzen für alle Beteiligten.

Team - Die Anwälte der Kanzlei Seitz Weckbach Fackler & Partner - Judith Schneider, Rechtsanwältin

Judith Schneider ist Fachanwältin für Erbrecht

Wir freuen uns, bekannt geben zu dürfen, dass unsere Kollegin Frau Rechtsanwältin Judith Schneider vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer München die Befugnis erhalten hat, die Bezeichnung „Fachanwältin für Erbrecht“ zu führen.