Arbeitsrechtliche Fragen in der Coronavirus-Krise

Seitz Weckbach Fackler & Partner

Einstellung des Betriebs

Kann der Betrieb im Rahmen der Pandemie nicht mehr aufrechterhalten werden bzw. erfolgt eine Schließung des Betriebes aufgrund einer staatlichen Anordnung, so behalten die Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch. Das sogenannte Betriebsrisiko trägt hier der Arbeitgeber.

Fortzahlung der Vergütung bei angeordneter Quarantäne

Im Falle der angeordneten Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz muss der Arbeitgeber den Verdienstausfall für die Dauer von maximal sechs Wochen zahlen. Diese ausgezahlten Beträge werden jedoch unter den Voraussetzungen des § 56 Infektionsschutzgesetz vom Staat ersetzt. Der Erstattungsanspruch kann jedoch ausgeschlossen sein, soweit arbeitsrechtliche „Erhaltungstatbestände“ des Arbeitnehmers bestehen (insbesondere gemäß § 3 EfZG und § 616 BGB).

Anordnung von Homeoffice

Auch bei einem vertraglich definierten Arbeitsort kann der Arbeitgeber im Pandemiefall im Rahmen seines Direktions- und Weisungsrechts vorübergehend die Erbringung der Arbeitsleistung von einem anderen Arbeitsort und somit Homeoffice anordnen. Dies ist zumindest dann zu bejahen, wenn es im Betrieb konkrete Corona-Fälle bzw. Verdachtsfälle gibt.

Einseitige Freistellung von Arbeitnehmern

Eine einseitige Freistellung von Arbeitnehmern ist nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:

Der Arbeitnehmer hat sich in einer Region befunden, für die das Auswärtige Amt wegen der Ansteckungsgefahr eine konkrete Reisewarnung ausgesprochen hat.
Der Arbeitnehmer hatte Kontakt zu einer nachweislich erkrankten Person.
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer infolge einer konkreten Infektionsgefahr einseitig frei, so ist dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung unmöglich und die Vergütungspflicht entfällt grundsätzlich. Trifft den Arbeitnehmer jedoch kein Verschulden, so bleibt der Vergütungsanspruch bestehen. Unternimmt ein Arbeitnehmer jedoch eine Reise in eine vom Robert-Koch-Institut benannten Risikogebiet und wird er anschließend vom Arbeitgeber freigestellt, so besteht mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, da der Arbeitnehmer das Arbeitshindernis verschuldet hat.

Anordnung von „Zwangsurlaub“ oder Überstundenabbau

Die Anordnung sogenannten „Zwangsurlaubes“ für Zeiten der Betriebsschließungen ist rechtlich – selbst im Falle einer Pandemie – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unzulässig.

Es besteht jedoch die Möglichkeit der Anordnung eines „Betriebsurlaubes“ nach Abstimmung mit dem Betriebsrat. Allerdings ist dies nur bei Einhaltung einer angemessenen Ankündigungsfrist möglich. Ein kurzfristig anberaumter Betriebsurlaub kann daher nicht durchgesetzt werden.

Die Anordnung eines zwangsweisen Abfeierns von Überstunden kann hingegen zulässig sein. Allerdings ist hier stets eine einzelfallbezogene Prüfung im Hinblick auf etwaige entgegenstehende Betriebsvereinbarungen erforderlich.

Keine Möglichkeit der Erbringung von Arbeitsleistung aufgrund notwendiger Kinderbetreuung

§ 616 BGB räumt den Eltern ein, zur Betreuung des Kindes zuhause zu bleiben, sofern das Kind in einem Alter ist, in dem es nicht über die gesamte Arbeitszeit allein zu Hause gelassen werden kann und keine andere Betreuungsperson kurzfristig zur Verfügung steht. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber frühzeitig über die Verhinderung zu informieren.

Der Arbeitnehmer behält gemäß § 616 BGB seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er für verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden gehindert ist, die Arbeitsleistung zu erbringen. Unter der „verhältnismäßig kurzen Zeit“ ist ein Zeitraum von bis zu 5 Tagen zu verstehen.

Dauert die Verhinderung aufgrund des Betreuungsbedarfs länger oder ist der Anspruch aus § 616 BGB arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen, so besteht kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung.

Wichtige Informationsquellen

Die Stadt Augsburg (https://www.augsburg.de/umwelt-soziales/gesundheit/coronavirus/infos-fuer-unternehmen) sowie die IHK Schwaben (https://www.schwaben.ihk.de/produktmarken/beratung-und-dienstleistung/coronavirus3-4711988) geben ebenfalls wertvolle Hinweise zu den aktuellen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise.

 

Autor: Peter Härtl

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Künstliche Intelligenz und Urheberrecht

Unaufhaltsam setzt die Künstliche Intelligenz ihren Eroberungsfeldzug fort. Der europäische Gesetzgeber und der Bundesgesetzgeber versuchen sich an einem rechtlichen Rahmen. Die endgültigen Ergebnisse werden noch auf sich warten lassen.

Das MoPeG kommt zum 1.1.2024: Einführung des Gesellschaftsregisters und Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) wurde bereits am 17. August 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Gesetz tritt nun am 1. Januar 2024 in Kraft, es wird also langsam ernst…

Webinar „Online-Banking-Betrug“

Vor etwa 40 Teilnehmern erläuterte Dr. Friedl zunächst die aktuellen Betrugsmethoden: So versenden die Täter eine Vielzahl von E-Mails, die dem Kunden vorspiegeln, er müsse sich in sein Online-Banking einloggen, um wichtige Änderungen vorzunehmen und freizugeben.