Einsatz von KI zur Nachahmung von Stimmen von Synchronsprechern

Seitz Weckbach Fackler & Partner

Künstliche Intelligenz ist in der Lage, Stimmen beinahe verwechslungsfrei zu imitieren. Mittlerweile können Synchronsprecher ersetzt oder gar wiederbelebt werden. Für die Serie „Neue Geschichten vom Pumuckl“ haben die Produzenten der Serie auf die prägnante Stimme des 2005 verstorbenen Hans Clarin zurückgegriffen und dessen Stimmbild mithilfe des Einsatzes von künstlicher Intelligenz für die Neuauflage der Serie weiterentwickelt. Pumuckl hört sich so an wie früher. Doch welchen Schutz bieten die vorhandenen gesetzlichen Regelungen für ein sog. „Recht an der eigenen Stimme“? Dieser Beitrag liefert erste Anhaltspunkte für den Rechtsrahmen der Modifikation des Stimmbildes von Synchronsprechern durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz.

I. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Einen Schutz vor der ungewollten und/oder unbefugten Verwendung der eigenen Stimme bietet das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR). Geschützt wird hierdurch auch, wie eine Person sich in der Öffentlichkeit darstellen möchte. Der eigene Wert- und Achtungsanspruch hat Verfassungsrang. Somit kann eine nicht gewünschte Darstellung unterbunden werden. Einfachgesetzlich wird dieses Grundrecht beispielsweise durch das Namensrecht in § 12 BGB oder das Recht am eigenen Bild in den §§ 22 ff. KUG ausgekleidet. Das Recht an der eigenen Stimme ist hingegen nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Es wird aber weitgehend aus den verfassungsrechtlichen Normen von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG anerkannt.

Anwendbare Rechtsprechung für die Verwendung von KI zur Modifikation und Weiterbildung einer Stimmaufnahme existiert naturgemäß noch nicht. Der Bundesgerichtshof hatte in seiner Marlene-Dietrich-Entscheidung jedoch höchstrichterlich bereits im Jahr 1999 erwähnt, dass das APR auch die Stimme erfasst. Bereits im Jahr 1989 konnte vor dem OLG Hamburg die täuschend echte Imitation der Stimme von Heinz Erhardt zu Werbezwecken untersagt werden.

Dabei ist bei jedem Eingriff in das APR eine Güter- und Interessensabwägung vorzunehmen. Unter Umständen kann die nicht genehmigte Verwendung einer fremden Stimme gerechtfertigt sein. Von Bedeutung hierfür ist insbesondere die Schwere des Eingriffs, das hiermit verbundene Motiv, die Kunst- und auch die Satirefreiheit des Eingreifenden. Auch das Verhalten desjenigen, in dessen APR eingegriffen wird, kann hierbei berücksichtigt werden. Im Einzelfall kann eine KI-gestützte Modifikation einer Stimme durchaus gerechtfertigt sein. Stehen hierbei nur kommerzielle Interessen im Vordergrund, wird eine Rechtfertigung wohl ausgeschlossen sein.

Aus der ungerechtfertigten und verschuldeten Verletzung des APR resultieren eine Reihe denkbarer Ansprüche. Neben einem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch findet ein Ausgleich der Verletzung des Achtungsanspruchs durch Schmerzensgeld statt. Dessen Höhe hängt unter anderem von der Intensität des Eingriffs ab. Bei der unerlaubten Verwendung der Stimmmodifikation für kommerzielle Zwecke ist außerdem denkbar, dass zusätzlich ein tatsächlicher Vermögensschaden entstanden ist, den es zu ersetzen gilt. Die unberechtigte Verwendung und Weiterbildung der Stimme einer Person kann zu äußerst empfindlichen Ansprüchen führen.

II. Schutz auch über den Tod hinaus?

Wie verhält sich der Schutz der Stimme nun, wenn deren Urheber verstorben ist? Grundsätzlich gilt, dass das Allgemeine Persönlichkeit mit dem Tod seines Inhabers endet. Das Andenken eines Verstorbenen bleibt dennoch geschützt. Es entsteht ein postmortales Persönlichkeitsrecht. Die Besonderheit dieses Rechts ist, dass dieses Recht in der Zeit nach dem Tod einer Person immer mehr Schutz verliert. Vereinfacht dargestellt: Je länger ein Mensch verstorben ist, desto mehr verblasst sein Recht an der eigenen Stimme. Und auch inhaltlich ist dieser Schutz verglichen zum APR schwächer. Denn der Verstorbene wird (nur) bewahrt, nach seinem Tod nicht erniedrigt oder herabgewürdigt zu werden. Aber auch der soziale Geltungswert, den eine Person aufgrund ihrer Lebensleistung erzielt hat, wird durch das postmortale Persönlichkeitsrecht geschützt. Geschützt wird der Inhaber des Rechts vor der groben Entstellung seines Lebenswerkes.

In seiner Rechtsprechung zu den Kohl-Protokollen hat der BGH zuletzt wiederholt klargestellt, dass aus einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich Ansprüche abgeleitet werden können, die zur Abwehr der ideellen Beeinträchtigung dienen. Diese Ansprüche sind nicht vererblich. Zur Geltendmachung sind nur Personen ermächtigt, die von dem Verstorbenen hierzu berufen wurden, subsidiär seine nahen Angehörigen. Zu diesen Abwehransprüchen gehören Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche. Nicht hierzu gehört jedoch der beim APR bestehende Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Beeinträchtigung des sozialen Achtungsanspruchs. Dieser Anspruch dient einer Genugtuungsfunktion für erlittene Persönlichkeitsverletzungen, die einem Verstorbenen jedoch nicht mehr verschafft werden kann. Der Anspruch ist unvererblich.

Anders verhält es sich jedoch mit originären Schadensersatzansprüchen wegen der Beeinträchtigung kommerzieller Interessen. Diese sind vererblich und entspringen nicht dem postmortalen Persönlichkeitsrecht, sondern dem ursprünglichen Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

III. Praktischer Ausblick für den Einsatz von KI

Für die Verwendung von KI für die Weiterbildung von Stimmaufnahmen berühmter Persönlichkeiten bestehen in der Rechtsprechung erste Anhaltspunkte aber auch offene Fragen. Im Fall lebender Personen ist deren Stimme durch das APR geschützt. Im Falle verstorbener Personen besteht ein ähnlicher Schutz, dessen Umfang jedoch geringer ist und nur vor grober Entstellung schützt. Was gilt aber, wenn die unerlaubte Weiterbildung des Stimmbildes durch KI (mutmaßlich) im Interesse des Verstorbenen erfolgt? Wenn eben keine entfremdete Verwendung einer berühmten Stimme stattfindet, wird dann nicht sogar durch die Verwendung von KI das Erbe gewahrt? Angesichts des eingeschränkten Schutzes des postmortalen Persönlichkeitsrechts und dessen Verblassen durch Zeitablauf könnten durchaus Argumente dafür bestehen, dass der Einsatz von KI aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht im Einzelfall ohne Genehmigung der Erben oder Angehörigen zulässig ist.

Unsicher ist dies mangels einschlägiger Rechtsprechung jedoch allemal. Deshalb ist eine Abwägung vorzunehmen, ob man von Erben oder Angehörigen eine Einwilligung zur KI-Modifikation einholt. Und auch in bestehenden oder neuen Verträgen mit Synchronsprechern ist zwingend zu überdenken, ob und in welchem Umfang man sich von diesen das Recht zur KI-Modifikation einräumen lässt.

Autor: RA Christian Ritter

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